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la terre est bleue comme une orange
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Paul Eluard
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exhibitions |
Westfälischer Kunstverein Münster
1999 Kleinheinrich Bücher und Kunst Stedelijk Museum Amsterdam 1999 Kleinheinrich kunstenaarsboeken |
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Werner Irro Buchstaben und Striche auf Papier
Ein Literatur- und Kunstverlag mit eigenem Gesicht: Kleinheinrich Auszugsweise veröffentlicht in der Frankfurter Rundschau am 28.04.2001 |
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![]() ![]() ![]() erzählerischen wie gestalterischen Meterware der großen Buchkon- zerne gibt es noch Platz, auch wenn es manchmal nicht danach ausschaut. Man muss nur ein wenig suchen, zum Beispiel nach hellen, oft nur vom gebrochenen Weiß des Kartons gefärbten Buch- rücken. Darauf wie immer Autor, Titel, und zuunterst der Verlag: „Kleinheinrich“. Man zieht das Buch aus dem Regal, nimmt es in seine Hände, schlägt es auf, und irgendwo wird man zufällig, zu lesen beginnen: „Wenn nichts mehr da ist / wofür man es tut, / mit dem man es tut // hört es von selbst auf. / Die Finger verlassen ihre Hand // und lassen die Hand los. (...)“ Die Augen ruhen aus, der Blick wird in die Weite der Seiten hineingezogen, das Buch liegt angenehm in der Hand. |
![]() ![]() ![]() mit Textblöcken von Prosa, mit lichten Strophen von Gedichten, manchmal mit künstlerischen Arbeiten. Vorausgesetzt man steht in einer Buchhandlung, die mehrere Titel des Verlags in ihren Regalen bereithält, kann man den Vorgang wiederholen. Es werden einem immer neue Varianten begegnen wie die Seiten gestaltet sind, Text alleine, Text mit Bild, zweisprachige Ausgaben, Text mit gegenüberliegender leerer Seite usw. Leicht wird man sich fest- lesen in diesen Büchern, die fast immer etwas höher und breiter sind als gewöhnlich, die Ruhe ausstrahlen. „So viel Dinge gibt es / die es nicht gibt, wie es Dinge / nicht gibt, die es dennoch gibt. / / Warum Schönheit dann nicht enthüllt: / bis zur Leere, Leere die atmet (...)" | |||
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![]() ![]() ![]() man ebenso fortfahren könnte: einem, wenn nicht dem größten niederländischen Dichter der letzten Jahrzehnte - bei Hans Favereys Gedichten kann man sofort verweilen, sein insistieren- des Suchen, sein Beobachten und Reflektieren wird schnell zum eigenen Verlangen. Gegen das Vergessen heißt der zweispra- chige Gedichtband bei Kleinhein- rich, der einzige Titel, der auf Deutsch von ihm vorliegt. Nicht einmal 200 Exemplare sind seit Erscheinen 1991 davon verkauft worden. Etwas unsicher mag sich mancher Leser den Büchern des Kleinheinrich Verlags nähern, hat er die Namen der Autoren in vielen Fällen doch noch nie zuvor gehört. Überrascht wird er zweier- lei feststellen: In ihrer Heimat zählen sie oft zu den großen und wichtigen Schriftstellern, und dass sie bei uns nur ein Schattendasein führen, sagt vor allem etwas aus über unsere Aufmerksamkeit für so genannte literarische Rand- bezirke. |
![]() ![]() ![]() fort neben Inger Christensen bei Poesieveranstaltungen auftreten, er würde mit naturnahen, leicht elegischen Sprachbildern sofort in seinen Bann ziehen, Ähnliches gilt etwa für Paal-Helge Haugen, einen norwegischen Autor. Mit der dänischen Autorin Inger Christensen ist Kleinheinrich zu einem frühen Zeitpunkt seiner Tätigkeit hingegen blendend ge- lungen, wonach jeder Verleger sucht. Die Erzählung Das gemalte Zimmer erschien 1989, begeis- terte Besprechungen folgten, schnell war die erste Auflage ver- griffen. Weitere folgten, ebenso andere Titel der Autorin, insge- samt sechs betreut der Verlag derzeit. Inger Christensen gehört heute unwidersprochen zu den wichtigen, wenn auch leisen Stim- men der Europäischen Literatur. | ||
![]() ![]() ![]() Als er seinen Verlag gründete, eröffnete er fünf Reihen: „Däni- sche Literatur der Moderne“, sie ist die umfangreichste, bis heute sind 15 Titel erschienen, „Norwe- gische Literatur der Moderne“ (7 Titel), eine schwedische, islän- dische sowie eine niederländische Reihe. Bei einem Studienjahr in Kopenhagen hatte ihn die Aufge- schlossenheit der Künstler und Intellektuellen für deutsche Lite- ratur überrascht. Während das Interesse der Deutschen für skandinavische Autoren zu oft in der Vergangenheit von einer trüben Mystifizierung alles „Nor- dischen“ gespeist war und folglich nach ´45 abrupt abbrach, hatte man umgekehrt längst zu einem normalen, von Kenntnis gepräg- ten Verhältnis gefunden. Wieder zurück in Münster machte sich Josef Kleinheinrich daran, Herausgeber für die jeweiligen Nationalliteraturen zu finden, mit denen zusammen er sein erstes Verlagsprogramm plante. 15 Jahre später ist sein Verlag längst vom Pionier zum Dreh- und Angelpunkt für die literarische Moderne Skandinaviens und der Niederlande bei uns avanciert. |
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![]() ![]() ![]() mit Prosa, Lyrik, Romanen. Die Hälfte von ihnen mit Zeichnungen oder anderen Kunstreproduktio- nen versehen: Josef Kleinheinrich besitzt ein sicheres Gespür dafür, wie Literatur und Kunst zueinan- der passen. Das fängt bei einem Raum an, der dem Künstlerischen in einem Buch zugestanden wird (so lässt er den Zeichnungen in einem Gedichtband schon einmal eine komplette leere Doppelseite folgen), es reicht bis zur eigen- ständigen, aufeinander abge- stimmten Komposition von Text und Bild. Der Berliner Künstler Bernd Koberling etwa hat zu den Gedichten Snorri Hjartarsons Aquarelle gemalt, abstrakte „Wasserfarben“. Sie stellen weniger Stimmungen als Kons- tellationen dar, vielleicht Inter- pretationen, in jedem Fall aber in sich selbst begründete Entwürfe. |
![]() ![]() ![]() ren: Zu 33 Zeichnungen von Max Neumann verfasste Cees Noote- boom Texte. Auch sie keine „Be- schreibungen“, sondern „Textbil- der“, so Nooteboom: „als Echo, aber doch unabhängig, als Spie- gel, aber dennoch eigenständig“. Entstanden ist eine Prosa, deren Rätselhaftigkeit und Leichtigkeit man die Freiheit anzumerken meint, sich von Bildfantasien lei- ten lassen zu können, ohne Rück- sichten, ohne Stringenz. Eine noch radikalere Verschiebung des Verhältnisses von Bild und Text führt Henri Michaux mit seinen Bildbeschreibungen des Werks von René Magritte vor: Beim Träu- men über rätselhaften Bildern. Hier rufen die meist nur wenige Sätze kurzen Texte die unsicht- baren Bilder vor das geistige Auge des Lesers, die freigehal- tene linke Buchseite wird zur Fläche, auf der die imaginierten und erinnerten Bilder Platz finden. Michaux´ Bild-Meditationen legen die Spuren in den Bildern frei, in denen der Betrachter seine eige- ne Zeit zum Sprechen bringt. | |||
![]() ![]() ![]() ganzen Zahl von Büchern direkt thematisiert. Eine prominente Stellung kommt dabei dem hier zu Lande fast ausschließlich als Maler und Bildhauer bekannten Per Kirkeby zu. Kleinheinrich hat bislang mehrere Gedichtbände sowie Bücher mit Zeichnungen dieses Künstlers, der in verschie- denen Ausdrucksformen gleicher- maßen zu Hause ist, verlegt. Zuletzt hat Kirkeby exklusiv für den Verlag vier Radierungen zu einem Wittgenstein-Text geschaf- fen. In limitierter Auflage (180 Exemplare), numeriert und |
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signiert (Preis: 1800 DM), ist
dabei ein Buch entstanden: Blei- satz, die Radierungen auf Japan- Papier gedruckt, sorgfältigst ge- bunden -, das der Idealvorstel- lung des Verlegers nahe kommt: „Es ist bibliophil, etwas Besonde- res, es ist schon ein Buch, wie es nicht alle Tage vorkommt, aber trotzdem auch noch ein Buch, das man benutzen kann. |
Es ist nicht so wertvoll, so extrem, dass man es nur im Bücher-
schrank hat oder sogar im Tresor, sondern man kann es wirklich bei sich haben, immer wieder hervor- holen, darin lesen und damit ar- beiten.“ In diesem Sommer bietet Kleinheinrich als nächste Edition sechs Celan-Gedichte mit sechs eigens geschaffenen Radierungen von Lüpertz zur Subskription an. | |||
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![]() ![]() ![]() wirtschaftliches Denken gehen bei dieser Form „Künstlerbuch“ eine attraktive Liaison ein. Dass er vermehrt in solche Projekte in- vestiert, hat freilich auch mit dem für literarische Titel zunehmend unberechenbarer werdenden Um- feld zu tun. Kleinheinrichs Bücher bewegen sich im kollabierenden Buchmarkt der Großverlage wie selbstbewusste Außenseiter. Bewusst hält Kleinheinrich an seinem Entschluss fest, seinen Verlag nicht mit Wachstumsambi- tionen zu betreiben. Auch weiter- hin will er allesalleine machen: „Ich will einfach für jedes Buch, das ich verlege, auch da sein, nichts soll über Zweite oder Dritte entschieden werden. Für mich als Verleger besteht die Aufgabe da- rin, den Texten oder den Bildern oder diesen beiden künstlerischen Ausdrucksweisen eine entsprech- ende Buchform zu geben. So, wie sich das Buch dann präsentiert, ist es das Gesicht des Verlags.“ |
![]() ![]() ![]() lich wird es nicht viele literarische Verlage geben, die ihre Gäste ähnlich stilvoll empfangen. Durch die herrschaftlich weiß gestriche- ne Eingangstür blickt man zu- nächst auf ein Sprossenfenster in einem kleinen, sehr hohen Raum, zu dem man leicht – nicht nur des einen, großformatigen Ölbildes wegen – Galerie assoziiert. Wenige ausgesuchte Möbel, altes Parkett, ein einziger kleiner Sta- pel mit Büchern. Eine hölzerne Wendeltreppe führt nach oben, dort bildet ein ovaler Raum das Gelenk zwischen diesem in der Tat gelegentlich für Ausstellungen genutzten Eingangsbereich und den sich anschließenden Verlags- räumen. "BuchKunst Kleinheinrich" lautet die Gravur auf dem Messing- schild an der Tür, "Kleinheinrich Münster" steht auf dem Verlags- prospekt. Nicht Understatement spricht aus der zurückgenomme- nen visuellen Form, in der der Verlag sich darstellt, sondern das klare Wissen, wie das auszu- sehen hat, was man macht. |
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![]() ![]() ![]() Egger, Michaux, Kling, Mayröcker sind einige der Autoren, die hier mit einem Titel glänzen. Vielleicht zeigen diese schlichten, klassi- schen Bücher am trefflichsten des Verlegers Philosophie: Auch Texte |
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sind, vergleichbar Zeichnungen,
zunächst einmal Arbeiten auf Papier. Auch ein Buchstabe ist nur ein Strich, den ein Autor zieht - für den einen eine Hieroglyphe, ein Universum für den anderen. Kleinheinrich entkleidet künstler- ische Arbeit ihres Scheins, um ihr |
mit Sorgfalt, schwarzer Drucker- kunst und einem sicheren Gespür für Materialien einen gültigen, möglicherweise ihren eigentlichen Ausdruck zu geben. Das ist die ganze Kunst: Buchstaben und Striche auf Papier. |
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